Darf der Hund ins Bett?
In der Regel sind es keine Hundehalter, die wissen wollen, ob der Hund ins Bett darf. Sie fragen es auf eine Weise, die wohlwollendes Interesse vortäuscht. Der Unterton allerdings schwingt immer schon leicht spöttisch mit: „Zuzutrauen wäre es euch Irren!“ „Aber neeeeeiiiiiiiiiin!“, versicherten wir diesen Menschen zu Beginn unserer Hundehalterschaft noch entschieden. Jeder wisse doch, dass das total unhygienisch sei. Der Erziehung eines Hundes zudem nicht förderlich. Der Kanide glaube ja am Ende noch, er sei der Boss und berechtigt, Kühlschrank- und Haustüre nach Gutdünken zu öffnen. Stichwort: Hierarchie!
Außerdem gaben wir zu bedenken, dass so ein Hund ausgestreckt im Bett auch ziemlich unbequem sei – so etwa, wie sich einen Kanaldeckel aus Fell auf die Matratze zu legen, der auch noch schnarcht. So ein Magyar Vizsla erreicht schließlich eine stattliche Größe. Nach derlei langatmigen Ausführungen haben meine Frau und ich uns immer verlegen angeschaut und versucht, schnell das Thema zu wechseln. Heute wissen wir: Völlig unnötig. Selbst TV-Hundeprofi Martin Rütter findet überhaupt nichts verwerflich daran, dem eigenen Vierbeiner den Zutritt zu Sofa oder Bett zu gewähren, unter gewissen Voraussetzungen. Aber davon später an anderer Stelle ein wenig mehr.
Nein. Natürlich nicht. Außer manchmal!
Die Wahrheit ist: Natürlich hatte Klärchen schon bei uns im Bett übernachtet, als all diese heimtückischen Nachfragen kamen. Nicht bloß ein- oder zweimal. Fakt ist, dass dieser Hund auch nach sieben gemeinsamen Jahren noch beinahe täglich ins Bett krabbelt. Immer im Morgengrauen, wenn wir knapp davor sind, von alleine wach zu werden und dem Klingeln des Weckers entgegendämmern, wanzt sich das inzwischen 25 Kilogramm schwere Trumm an und schmiegt sich im unteren Teil des Bettes – natürlich unter der Decke – an unsere Kniekehlen. Meistens trifft es meine Frau. Sie liebt es, auch wenn sie hin und wieder so tut, als sei der Hund ein Schlafkiller und sie bloß das willenlose Opfer einer Schmusebestie.
Ja, wir schämten uns dafür. Zu Beginn. Ein bisschen. Was sind wir bloß für komische Hippies, dachten wir, dass wir einen süßen, braven aber doch auch: amtlichen Schmutzfink wie Klärchen ins Bett lassen, der sich tagsüber auf Kuhwiesen, Sandstränden und Waldböden herumtreibt und sich mit Vorliebe in Dingen wälzt, deren Duftnote nur ein Hund lieben kann. (Natürlich wird Klärchen anschließend geduscht, wenn sie es mal wieder übertrieben hat, aber keimfrei ist trotzdem was ganz anderes.)
Tja, ich war dagegen. Schon aus Prinzip. Wie sieht das denn aus, zumal bei einem kinderlosen Paar, wenn der Hund mit seinen Leuten im Bett rumschlawinert. Was soll da kompensiert werden? Darf man gar nicht drüber nachdenken. Doch wie soll man denn bloß reagieren, wenn so ein süßer Hundewelpe noch in der ersten Woche nach der Trennung von Mutti und sieben Geschwistern – leise fiepend – vor dem Gemach steht und schaut, als laste das Unglück der Welt auf seinen winzigen Schultern. Ein kleines, gerade mal schuhkartongroßes Fellknäuel, noch nicht lange auf der Welt, verloren und einsam fern der Heimat.
Nur heute, ausnahmsweise!
Ich kann’s verraten: Wenn man kein Herz aus Stein hat – oder so schlau war, dem neuen Hund das Schlafzimmer schon von vorneherein als No-Go-Area zu markieren – schaut man sich das vielleicht 10, vielleicht auch 20 Minuten an, und wenn man zu den ganz Harten im Land gehört, dann vielleicht sogar eine halbe Stunde. So ein Magyar Vizsla aber hat in der Regel mehr Geduld als ein Dorschangler an der Ostsee. Er versucht es immer wieder aufs Neue, egal, wie häufig man ihn in sein gemütliches Lager vor dem Bett bettet. Irgendwann haben wir dann nachgegeben. Und gesagt: Nur heute, ausnahmsweise!
Dummerweise merkt sich der Hund, so klein und verstrahlt er auch noch sein mag, wie gemütlich eine Nacht im flauschigen Bett mit dem gesamten Rudel sein kann. Einmal gelernt, für immer abgespeichert… Dabei ist ihm auch völlig egal, wenn er dann nach einigen Monaten groß und größer wird und schon längst nicht mehr in die kleine Mulde zwischen Fuß und Bettende passt, die man dem Bettelwelpen zu Beginn mit gespielter Strenge zugewiesen hat.
Bald flaggte Klärchen mit ausgestreckten Gliedern faktisch quer in unserem Bett und sah dabei aus wie ein expressionistisches Gemälde beim Versuch, ein Sportabzeichen zu erwerben. Die einzige Möglichkeit, unsere Nachtruhe einigermaßen bequem zu gestalten, war das Tier auf jeden Fall mit unter die Decke zu nehmen. So konnten wir wenigstens die Bettdecken nach Wunsch bewegen und uns im Schlaf von einer auf die andere Seite drehen, ohne vom Murren des Haustieres zurechtgewiesen zu werden. Ist das eigentlich normal, was wir Klärchen alles durchgehen lassen, habe ich meine Frau nicht nur einmal gefragt. „Total normal!“ hat sie geantwortet.
Was soll ich sagen? Sie hatte recht. Ich zitiere Martin Rütter, den studierten Hundepsychologen und Bestseller-Autor:
„Viele glauben, sobald ein Hund im Bett liegt, sei dies der Anfang vom Ende – völliger Quatsch. Für den Hund bedeutet es lediglich, dass er das Bett einfach bequem findet.“, so Martin Rütter.
Kein Grund also, immer gleich Angst um die hierarchischen Strukturen in der Familie zu fürchten – der Hund macht keine Machtdemonstration aus der Bettbesetzung, der will einfach nur chillen! Ein Problem sieht Martin Rütter nur bei Vierbeinern, die ohnehin Futter- und Liegeplätze offensiv verteidigen und ganz allgemein zur Dominanz neigen. Was für Klärchen und die meisten der zotteligen Bettschmuser da draußen sicher nicht gilt, die sich in die Herzen und unter die Plumeaus ihrer Halter geschlichen haben.
Und noch ein Vorurteil widerlegt Martin Rütter, der seitdem mein Hunde-Held ist: Unhygienisch sei die schlafende Fellnase nur dann, wenn sie schlecht gepflegt wird. Aber das gilt ja auch für Ehepartner. Im Gegenteil: Mit dem Hund in einem Bett zu schlafen, sei sogar gesund, wie die Wissenschaft behauptet: Es gibt Studien, die belegen, dass Menschen in der Nähe ihres Haustieres schneller ein- und besser durchschlafen. Das hätte ich meinen Freunden mal unter die Nase reiben sollen, als sie sich scheinheilig nach den Verhältnissen in unserem Schlafzimmer erkundigten. Aber einige Informationen, ich bemerkte es bereits, kommen manchmal einfach zu spät.